Survival-Camp im Lahntal

Meine Ex-Kollegen machen sich offenbar Sorgen um mich – bzw. um meine Überlebensfähigkeit in der rauen Wildnis der USA. Und so schenkten sie mir zum Abschied die Teilnahme an einem Outdoor-Survival-Camp. Die Überraschung war perfekt und ich freue mich immer noch sehr über dieses geniale und sehr gut zu meiner Tour passende Geschenk!

Am vergangenen Wochenende war es nun soweit: Ein Wochenende im Outdoor-Zentrum Lahntal unter der Anleitung des erfahrenen Outdoor-Veteranen und Wildnispädagogen Axel Trapp (Wurzeltrapp Wildnisschule).

 

Die Anreise nach Greifenstein-Allendorf erledige ich bereits am Freitag-Abend und wieder teilweise mit dem Rad. In der Dämmerung komme ich im Outdoor-Zentrum an, bekomme freundlicherweise noch ein spätes Abendessen und liege dann auch schon alleine in einem 15-Personen-Tipi (die anderen Teilnehmer sind noch nicht da). Nach einer sehr stillen Nacht, die jedoch schon früh von einem direkt vor dem Tipi schreienden Pfau beendet wird, erkunde ich das komplett im Wald gelegene Gelände mit seinen vielen Tieren (Alpakas, Esel, Pferde, alle Arten von Hühnern etc.), frühstücke am kleinen aber leckeren Buffet im Freien und warte dann auf die Ankunft von Axel Trapp und den anderen Teilnehmern.

Gegen halb elf sind dann alle da (Axel und wir fünf Teilnehmer: Dirk, Olaf, Andrea, L. und ich) – wir beginnen mit einer Vorstellungsrunde inkl. dem Verbrennen einer sehr wohlduftenden Kräutermischung (Salbei und Beifuß) zum Einstimmen. Axel klärt uns über die Inhalte des Wochenendes auf (die neben Sauerstoff drei wichtigsten Faktoren zum Überleben in der Wildnis: Körperwärme, Wasser, Nahrung) und bald darauf pilgern wir schon durch den Wald auf dem Weg zu unserer ersten Lektion.

 

Körperwärme

Gefragt nach der wichtigsten und zuerst zu erledigenden Aufgabe nachdem ich in der Wildnis verloren gegangen bin, hätte ich bisher immer die Suche nach Wasser angegeben. Viel dringender ist aber tatsächlich die Aufrechterhaltung der Körperwärme – je nach klimatischen Bedingungen kann der menschliche Körper bis zu drei Tage ohne Wasser aber u.U. nur bis zu drei Stunden ohne zusätzlichen Wärmeschutz auskommen. Unsere Körperwärme können wir natürlich eine Zeit lang allein durch unsere Kleidung und durch die Kalorienverbrennung unseres Körpers aufrecht erhalten. Allerdings heißt das oberste Gebot im Notfall Energie sparen – das können wir uns bei allen Tieren abschauen, die sich schließlich auch stets so verhalten, dass sie keine unnötigen Kalorien verbrennen. Bei hoher Luftfeuchtigkeit oder sogar Regen erhöht sich die Dringlichkeit eines Unterschlupfes noch, da nasse Kleidung deutlich weniger Wärmeschutz bedeutet und die Verdunstungskälte uns zusätzlich auskühlt.
Es gilt also, als erstes einen möglichst kleinen, durch Körperwärme aufheizbaren Raum zu finden oder herzustellen. Axel erklärt uns einige denkbare Varianten – angefangen vom trockenen Laub, das zusätzlich in den Schlafsack oder in die Jacke gestopft wird über einen großen Laubhaufen in den man – am besten mit einer Regenjacke – hineinkriecht bis hin zum Bau einer Laubhütte (Debris Hut). An den Bau einer solchen Hütte machen wir uns nun alle gemeinsam – ständig begleitet von Axels zahllosen aber sehr eingängigen Hinweisen und Tricks, die ich hier jetzt nicht alle im Detail wiedergebe (Beispiele: Was sind alles Faktoren zur Auswahl eines geeigneten Standortes für die Hütte; wann und unter welchen Umständen sollte die Entscheidung zum Bau eines Unterschlupfes fallen; konstruktive Unterschiede beim Bau – je nach Jahreszeit und Wetter; Auskleiden der Hütte für Nächte ohne Schlafsack; Wie breche ich Äste; Von wo hole ich das Baumaterial, wenn ich mit einem längeren Aufenthalt rechnen muss; energiesparend in der Hütte liegen bleiben vs. energieverbrauchend irgendwas machen … und vieles mehr).

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Die Hütte wird der Körpergröße angepasst
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Je dichter desto besser
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Erstbezug

Nach 2,5h konzentrierter Arbeit ist die Hütte fertiggestellt – mit Raum für nur eine Person und einer aufgelegten 15cm Laubdicke, die zum relativ warmen Mai-Wetter passt (im Winter braucht es eine Armlänge Laub!). Man kann also davon ausgehen, dass der Bau einer solchen Hütte durch nur eine Person einen ganzen Tag dauert, weshalb im Notfall auch baldmöglichst – und nicht erst bei Anbruch der Dämmerung – damit begonnen werden sollte. Generell lernen wir an diesem Wochenende immer wieder: Alles dauert wesentlich länger als wir gedacht hätten.

Um die Hütte zu testen, schlägt Axel vor, dass einer von uns Teilnehmenden die kommende Nacht darin verbringt – Ein Angebot, das ich gerne annehme.

Feuer und Wasser

Nach dem Hüttenbau und einem leckeren Mittagessen im Outdoor-Zentrum widmen wir uns der Herstellung von Feuer. Feuer und Wasser gehören im Survival-Ernstfall direkt zusammen, da so gut wie alles an der Erdoberfläche auffindbare Wasser (das nicht direkt aus einer Quelle sprudelt oder aus einem Gebirgsbach kommt) vor dem Verzehr abgekocht werden sollte (wir gehen davon aus, dass wir keinen Wasserfilter dabei haben). Auch zum Thema Feuer machen gibt uns Axel ab jetzt immer wieder Hinweise und Tricks.
Jetzt kommen unsere Messer zum Einsatz (auch zu den Eigenschaften des optimalen Outdoor-Messers sind wir schon aufgeklärt): Wir schnitzen uns nun jeder aus einer Nadelholzleiste ein “Feuerbohrer-Set”. Dabei wird eine Spindel in die Sehne eines Bogens eingespannt und erzeugt dann durch schnelle Drehung und gleichzeitigem Druck auf einem speziell vorbereiteten “Bohrbrett” ein kleines Glutnest. Dieses kleine aus dem Abrieb von Spindel und Bohrbrett bestehende Glutnest legen wir dann vorsichtig auf ein vorbereitetes Feuernest (Trockenes Gras mit einem Kern aus natürlichen Brandbeschleunigern wie etwa Abrieb der Birkenrinde oder Distelsamen). Durch vorsichtiges Pusten in das Nest – das wir dabei in den Händen halten – entfachen wir schließlich eine Flamme. Das brennende Nest legen wir dann schließlich in die ebenfalls rechtzeitig vorbereitete Feuerstelle. Soweit die Theorie.

 

Tatsächlich schafft es nur Dirk, ein Glutnest durch Feuerbohren zu erzeugen – wir anderen sind aber alle dicht dran. Diesen ersten Schritt mit dem Glutnest überspringen wir dann später am zweiten Tag mit Hilfe eines Feuerzeuges und so können wir trotzdem noch alle die folgenden Schritte versuchen.

Das Wasserkochen probieren wir am abendlichen Lagerfeuer auf die laut Axel älteste bekannte Art – wir legen glühende Steine aus der Glut in ein mit Wasser gefülltes Gefäß. Für etwa 300ml Wasser braucht es schon drei kinderfaustgroße rotglühende Steine, um überhaupt erstmal zum Siedepunkt zu kommen. Ein wahnsinnig großer Aufwand also Wasser auf diese Weise über mehrere Minuten abzukochen, zumal dieses dann durch Asche und Erde verunreinigte Wasser anschließend noch gereinigt werden möchte.

 

Die Nacht in der Hütte ist ein Abenteuer. Leider muss ich auf meinem einsamen Weg durch den nächtlichen Wald zur Hütte auf einmal an den Film “Blair Witch Project” denken – keine gute Idee! Die Taschenlampe mache ich vor dem Hineinkriechen in die Hütte aus – ich will meine nächtlichen Mitbewohner mit mehr als 6 Beinen nicht sehen müssen … ansonsten ist die Hütte angenehm dunkel und warm 🙂

Nahrung

Nach dem Frühstück und dem Feuermachen am zweiten Morgen unternehmen wir eine kleine Wanderung auf der uns Axel das im Mai bereits üppige Nahrungsangebot am Wegesrand erklärt. Löwenzahn, Brennessel, Knoblauchsrauke und Sauerklee sind nur einige der Köstlichkeiten, die wir dann auch direkt verköstigen.

Nach dem Mittagessen setzen wir uns zu einer Abschlussrunde zusammen. Alle haben viel gelernt und sind zufrieden. Ich bin baff ob des großen und wertvollen Wissens, das Axel uns in so kurzer Zeit vermitteln konnte. Unsere Gruppe fand ich auch sehr angenehm und das Wetter war sowieso spitze.

Meine große Erkenntnis ist, dass das Überleben in der Wildnis viele Analogien zum Radreisen aufweist. Auch wenn ich beim Radreisen in den USA (hoffentlich) nie so unmittelbar an meinen vitalen Grundbedürfnissen werde arbeiten müssen, gilt doch auch hier das Grundprinzip der Energieeffizienz. Das bedeutet, dass es in beiden Fällen sehr wichtig ist rechtzeitig zu planen. Beispielsweise ist es auch unterwegs mit dem Rad nicht möglich abends spontan noch größere ungeplante Strecken – und das können auch nur 15km sein – zum nächsten Supermarkt oder zu einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit zurückzulegen. Auch hier könnte mir sonst nach einer größeren Etappe die körperliche Erschöpfung oder unzureichende Kalorienzufuhr einen Strich durch die Rechnung machen. Das Survival-Camp war also eine weitere hervorragende Vorbereitung auf meine große Tour.

Ich danke Axel, unserer ganzen Survival-Gruppe und besonders meinen großartigen Ex-Kollegen für diese tolle Erfahrung!

 

2 thoughts on “Survival-Camp im Lahntal

  1. Freut mich dass es dir gefallen hat. Wenn du nur eine Sache die du hier gelernt hast, bei deinem Trip anwenden kannst, hat es sich ja schon gelohnt. Viel spaß weiterhin bei deinen Erlebnissen wünscht
    Marcel

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