Die große Generalprobe für Mensch und Material ist diese Woche erfolgt. Mit Rad und Gepäck bin ich letzte Woche zunächst mit der Bahn zu Freunden nach Tutzing am Starnberger See gereist. Dort genoss ich erstmal zwei Tage Gastfreundschaft, Sonne und eine Radtour um den See. Am Samstag feierten wir dann ganz gemütlich einen Geburtstag – ein wunderschöner Biergarten-Tag im Wirtshaus am Bavariapark in München.

Am Sonntag-Mittag war der gemütliche Teil meiner Bayern-Reise dann vorbei – laut Google standen jetzt rund 400km nach Wiesbaden auf dem Plan. Die Ankunft am Mittwoch-Abend war gesetzt wegen eines Behördentermins in Wiesbaden am Donnerstag. Der Routenverlauf ergab sich aus der Himmelsrichtung und punktueller Unterstützung durch Google-Maps.
Sonntag, 29.04.
Bei schönstem Wetter mit klarem Alpen-Panorama und sogar Rückenwind aus Süd-Ost geht es um 11:00 los. Die ersten 10km mit vollbepacktem Rad sind ungewohnt wegen der schwer bepackten Low-Rider-Taschen, das Fahrverhalten ist aber wegen deren niedrigem Schwerpunkt etwas hinter der Vorderachse sehr stabil – sogar im Wiegetritt ganz langsam bergauf!

Nach 12km dann die ersten großen Erkenntnisgewinne verbunden mit einem Schreck: Auf einer Holperstrecke entlang eines Waldstückes rutschen die original Tubus-Low-Rider-Befestigungsschellen von der Gabel ab – der Low-Rider rauscht schlagartig nach unten, verbiegt sich etwas und wirft dabei die Taschen im weiten Bogen von sich. Ein Glück, dass das nicht auf der Straße geschehen ist! Die erste Erkenntnis ist, dass die Schellen offenbar noch viel fester gespannt werden müssen, als ich dachte und außerdem die Gabel unter den Schellen mit einem Anti-Rutsch-Klebeband beklebt werden sollte. Die zweite Erkenntnis ist: Auch auf “kürzeren” Touren sollte ich ALLES möglicherweise benötigtes Werkzeug dabei haben – in diesem Fall fehlt mir ein ganz profaner 8er Maulschlüssel. Rettung naht aber schnell aus Tutzing in Form meines Freundes Frank mit seinem 123er Mercedes-Service-Mobil mit Werkzeug im Kofferraum. Nach insgesamt 90min Verzögerung geht es nun weiter und das sollte auch die letzte Panne auf der Tour sein.

Dank des Rückenwindes rauschen die ersten 85km im hohen Tempo und nur unterbrochen durch zwei kleine Rasten am Ammersee und in einem kastanienbeschatteten Biergarten dahin. Kurz hinter Augsburg lasse ich mir von Google den nächsten Campingplatz anzeigen und bin dann wenig später an einem See in der Nähe des Flugplatzes. Abendessen: restliche Käsebrötchen und ein Helles mit Blick auf den Badesee – um halb neun folgt dann der Schlaf der Gerechten.
Montag, 30.04.
Die Nacht war sehr stürmisch, und so gegen 07:00 morgens setzt dann mittelstarker Regen ein. Der erste Camping-Morgen der Tour gerät zu einer starken Willensprobe. Mit klammen Klamotten packe ich im Regen mein Zelt zusammen und versuche mich dann auf dem Rad warmzustrampeln. So eklig das Wetter und die morgendliche Klammheit auch erstmal sind – sobald ich auf dem Rad sitze, wird es dann doch wieder schön. Nach etwa 1h Fahrt hört auch der Regen auf und es kommt schlagartig die Sonne zum Vorschein. Gleichzeitig ist nun der erste Supermarkt mit Bäckerei in Sicht und so gibt es nach den ersten 20km und nach dem Einkauf einer soliden Essensversorgung endlich Frühstück neben dem trocknenden Rad in der Sonne. Der Wind hat gedreht und kommt nun aus Süd-Ost – also kein Rückenwind mehr, aber beim heutigen Streckenverlauf auch erstmal noch kein Gegenwind.
Die Donau erreiche ich mittags bei Donauwörth – die Landschaft hat was von Postkartenidyll und es gibt reichlich Strecke auf kleinen und kaum befahrenen Sträßchen. Während der Mittags-Pause baue ich das Zelt zum Trocknen auf.
Leider dreht der Wind nun immer weiter auf West und schließlich sogar auf Nordwest – die letzten 40km fahre ich also mit deutlicher Gegenwindkomponente. Kurz hinter Nördlingen entscheide ich mich für das Ziel der Tagesetappe: ein Campingplatz bei Dinkelsbühl. Auf dem Weg dahin frischt der Gegenwind immer mehr auf und dann ist die direkte Straße auch noch wegen des Baus einer Umgehungsstrecke gesperrt. Für mich ist das nur gut, denn dadurch ist ein langes Bundesstraßenstück für mich komplett autofrei und als die Baustelle schließlich kommt, rollere ich mit meinem Rad einfach langsam durch (da ich für bessere Sichtbarkeit im Straßenverkehr ständig eine Warnweste trage, falle ich in der Baustelle nicht weiter auf – zumindest versucht niemand mich zu stoppen).
Nördlingen und Dinkelsbühl sind übrigens beides historische Städte mit rundem Stadtkern, Stadtmauer, Fachwerk und allem Schnickschnack. Beide Städte sind deutlich schöner als die Namen vermuten lassen!
Am Campingplatz angekommen stehen 117km auf der Uhr. Wieder bin ich der einzige Zelter auf dem Platz. Mein Zelt steht wieder direkt an einem Badesee. Ich mümmle meine restliche Wegzehrung vorm Zelt und falle früh in einen tiefen Schlaf.

Dienstag, 01.05.
Ich starte um 08:00 – mit krassem, böigem Gegenwind bei 8°C. Nach 2h, 3 Bananen und vielen Keksen sind erst 14km (!) geschafft und ich falle gierig in einen McDonalds an der A7 ein, die ich beim Kreuz Feuchtwangen erreiche. Jetzt heißt es erstmal Aufwärmen mit Rührei und viel Kaffee. Dann weiter gegen den Wind, wieder eine Willensprobe … ich habe alle Radklamotten an, die ich dabei habe – inkl. Regenjacke und Überschuhen. Gefühlt werden das heute nur 50km. Aber irgendwann sind die Knochen warm und mit mehr Pausen an windgeschützten Plätzen als bisher läppern sich die Kilometer doch noch zusammen. Etwa 15km vor Bad Mergentheim kommt überraschend die Rettung: Ich befinde mich auf einmal im Taubertal, das hier so eng ist, dass kein Gegenwind mehr herrscht. Dazu passend kommt nun auch endlich die Sonne raus und so rauschen die Kilometer dann zügig dahin. Nachmittagssnack mit Bier gibt es bei Blasmusik im Bierzelt (es ist ja erster Mai!). In Tauberbischofsheim entschließe ich mich, dem Wind weiter auszuweichen und im Taubertal zu bleiben. Ich suche einen Campingplatz bei Wertheim aus, den ich schließlich mit 122km auf dem Tacho erreiche. Wieder habe ich das einzige Zelt, welches heute Nacht direkt am Tauber-Ufer steht.


Mittwoch, 02.05.
Die Nacht war empfindlich kalt. Um 05:45 beschließe ich aufzustehen. Es ist so kalt, dass ich kaum die Finger beugen kann. Wieder heißt es, das klatschnasse Zelt einzupacken und auf die erlösende Körperwärme während der Fahrt zu hoffen. Zum Glück führen die ersten 10km aus dem engen Taubertal relativ steil bergauf und ich kann mich so etwas aufwärmen. Ich habe kaum noch Essensvorräte und die kleinen Ortschaften auf dem Weg in Richtung Miltenberg besitzen keine Infrastruktur – wie beispielsweise Bäckereien – mehr. Das zweite Frühstück (nachdem das erste aus vier Keksen bestand) kommt dann auch erst kurz vor Miltenberg in einer Bäckerei. Durch die Kälte und zu wenig Essen am Morgen habe ich leider schon einen krampfigen Magen und die Beine sind auch schon nicht mehr so leicht. Der Wind ist heute aber nur schwach und ich bleibe ab Miltenberg erstmal am Ufer des Mains. 10km vor Aschaffenburg verlasse ich den Main in Richtung hessischer Landesgrenze. Es läuft heute nicht zu gut, der Wind ist kühl und ich brauche viele Pausen. Beim Überqueren der Landesgrenze hinter Osthofen ist mir klar, dass ich Wiesbaden nicht mehr mit dem Rad erreiche. Ich setze mir Rödermark als Ziel und erreiche den Bahnhof nach 95 Tageskilometern. Von dort bringt mich die S1 direkt nach Wiesbaden.
Fazit
> Auch eine so kurze und leicht zu realisierende Radtour bedeutet schon einen echten Urlaub und der Wandel der Landschaft vom Starnberger See bis Hessen ist mit Fahrrad-Geschwindigkeit sehr schön zu erfahren
> Die Tagesetappen waren zu lang – besser wäre in diesem Fall ein Tag mehr Zeit gewesen, so dass das Ziel mit jeweils knapp unter 100km am Tag gut zu erreichen gewesen wäre
> Die Packliste passt schon sehr gut – ich werde wohl noch Kleinigkeiten aussortieren (Deo, Taschenlampe (Handy reicht), Halbschuhe); anderes muss hinzu: mehr Werkzeug, Kabelbinder etc. und wärmere Klamotten für die Abends/Nachts
> Fahrradwegweiser in Bayern sind sehr brauchbar und verlässlich – Fahrradwegweiser in Hessen sind (meistens) zumindest unbrauchbar, wenn nicht sogar gemein
> Brooks-Sättel knarzen beim Einfahren – hoffentlich hören sie später damit auf …
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